Katrin Langensiepen: Risikogruppen werden im Stich gelassen

  • Veröffentlicht am: 17. April 2020 - 0:00

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Katrin Langensiepen, Foto: Sven Brauers

„Wer Angst hat, soll eben zuhause bleiben“? Äußerungen wie die von Wolfgang Kubicki zeigen: Es läuft gerade etwas gewaltig schief.  Seit den Lockerungen sieht man wie wenig an die Risikogruppen gedacht wird und wie gedankenlos, unvorsichtig und sogar rücksichtslos sich einige Menschen im öffentlichen Leben verhalten. Angehörige der Risikogruppen zwingt so ein Verhalten tatsächlich zuhause zu bleiben.  

Isolation kann allerdings nicht die Lösung sein. Seit Beginn der Corona-Krise mache ich mich gegen die Spaltung der Gesellschaft in "Risikogruppe" und "Nicht-Risikogruppe" stark und wehre mich gegen die Stigmatisierung von Risikogruppen. Ich selbst gehöre als einzige weibliche Europaabgeordnete mit sichtbarer Behinderung dazu und weiß es fühlt sich nicht gut an. 

Bereits vor einem Monat habe ich gemeinsam, mit anderen Grünen und Aktivisten wie Raul Krauthausen eine Petition gegen die Isolation von Risikogruppen gestartet. 25.000 Menschen haben schon unterschrieben, was beweist: Ihre Angst aus dem Arbeits- und Sozialleben ausgeschlossen zu werden ist real. Zur Risikogruppe gehören Millionen Menschen. Wenn wir der Logik von Herrn Kubiki folgen würden, müsste halb Deutschland zuhause bleiben. Die Gruppe ist groß und divers. Sie umfasst ältere Menschen, aber auch sehr viele junge Menschen mit Vorerkrankungen und Behinderung. Menschen in (Pflege-) Einrichtungen sind zu ihrem „Schutz“  von isolierenden Maßnahmen betroffen. Menschen mit Vorerkrankungen fürchten nicht nur Einschränkungen im öffentlichen Raum, sie sorgen sich auch um ihre berufliche Existenz, denn zurück in den Job scheint unter diesen Umständen schwierig bzw. unmöglich. 

Was wir jetzt brauchen sind konkrete Aktionspläne für den Schutz von Risikogruppen sowie öffentliche Kampagnen für solidarisches Verhalten

Menschen mit Behinderung, die ebenfalls zur Risikogruppe gehören, wurden in dieser Krise oft alleine gelassen und nicht in den Krisenkonzepten mitgedacht.

Der Blick auf die südlichen EU-Mitgliedsländer hat gezeigt, wie schnell die Situation für Menschen mit Behinderung dramatisch werden kann und in diesen Zeiten gegen Menschenrecht verstoßen wird. Deshalb habe ich mich auch in Deutschland intensiv mit dem Thema Triage auseinandergesetzt. 

Wir haben Glück, dass wir in Deutschland in dieser Pandemie bis jetzt sehr gut dasteht. Das bedeutetet allerdings nicht, dass wir jetzt die vergessen sollten, für die eine Infizierung immer noch lebensbedrohlich ist.