Sven-Christian Kindler: Kein business as usual: Straßenbauprojekte während der Corona-Krise

  • Veröffentlicht am: 28. April 2020 - 0:00

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AdobeStock ©fotofox33: Autos im Stau in der Großstadt

Kein business as usual: Planung, Genehmigung und Bau von Straßen in Niedersachen während der Corona-Krise stoppen und bis 2020 alle Straßenbauprojekte auf den Prüfstand stellen 

Vor der Corona-Krise hat die Bundesregierung entschieden im Zeitraum von 2019 bis 2023 über 3,7 Mrd. Euro für Straßenbauprojekte in Niedersachsen auszugeben – fünf Mal mehr als sie im gleichen Zeitraum in die Schieneninfrastruktur investieren will. Das ist nicht nur schlecht für das Klima. Der geplante Neubau verdrängt auch den Fokus auf wichtige Erhaltungsmaßnahmen im Straßenbau. Gerade während der Corona-Krise muss gelten: Erhalt vor Neubau. Immer neue Straßen bringen nichts, wenn die bestehenden Straßen nicht nutzbar sind, weil Brücken unbefahrbar werden oder die Schlaglöcher immer größer werden. 

Während der Corona-Pandemie sollten die personell ohnehin seit Jahren ausgedünnten Straßenbauverwaltungen notwendige Erhaltungsmaßnahmen an Straßen und Brücken in Niedersachsen vorziehen und vor allem den Betriebsdienst aufrechterhalten. In der aktuellen Lage, in der weniger Fahrzeuge die Straßeninfrastrukturen nutzen, ist der richtige Zeitpunkt Brücken zu sanieren, maroden Lärmschutz auszutauschen und Schlaglöcher auszubessern. Darum sollten sich die Beschäftigten in der Verwaltung jetzt hauptsächlich kümmern. Die geplanten Milliardenausgaben für die Autobahnen A33, A20 und A39 sowie dem Aus- und Neubau der Bundesstraßen B 213, B 65, B 210 und B 212 binden erhebliche Kapazitäten der Straßenbauverwaltungen und laufen den Klimaschutzzielen, denen sich Deutschland im Zuge des Pariser Klimaschutzabkommens verpflichtet hat, zuwider. Straßenneubau hat daher keine Priorität.  

Während und nach der Corona-Krise werden die Kapazitäten der Bauwirtschaft ebenso wie die der Planungs- und Genehmigungsbehörden noch knapper sein als derzeit. Sie mit unnötigen neuen Autobahnen zu binden, ergibt keinen Sinn. Auch der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung mahnte kürzlich in seinem Sondergutachten aufgrund knapper werdender Kapazitäten zur Priorisierung bei Bauprojekten. Die Wirtschaftsweisen empfehlen die Zeit der Krise zu nutzen, um sinnvolle Investitionsprojekte zu planen, die nach Ende der Einschränkungen durchgeführt werden können. Sinnvoll sind vor allem Investitionen in eine saubere, moderne und sichere Mobilität, also mehr Geld für die Schiene, für Radinfrastruktur und den ÖPNV.

Werden die Ausgaben in neue Autobahnen sowie zahlreiche neue Bundesstraßen in Niedersachsen – so wie sie die Bundesregierung derzeit plant – umgesetzt, dann werden nicht nur Milliarden von Euro für sinnlose Straßenbauprojekte verschwendet. Zugleich würde auch die Chance für die Einleitung einer echten Verkehrswende in Niedersachsen nach der Corona-Krise vertan.  Daher ist jetzt der Zeitpunkt für die Bundes- und die Landesregierung ihre verkehrspolitischen und haushaltspolitischen Schwerpunkte für Niedersachsen neu auszurichten. Der Bundesverkehrswegeplan darf angesichts der Corona-Krise nicht business as usual umgesetzt werden. 

Wir brauchen in Niedersachsen jetzt keine neuen Straßen, sondern bis Ende 2020 ein Straßenbaumoratorium und Investitionen in eine echte Verkehrswende für die Bürgerinnen und Bürger. Folgende Maßnahmen, müssen im Zuge eines Corona-Straßenbaumoratoriums jetzt umgesetzt werden: 

1. Vorrübergehender Stopp aller Planungen und Vorbereitungen für alle Straßenneubau- und Ausbauprojekte in Niedersachsen 

2. Vorziehen der Bedarfsplanüberprüfung auf 2020 

3. Erweiterte Bedarfsplanüberprüfung aller Bundesfernstraßenprojekte des Bedarfsplans in Niedersachsen bis Ende 2020 unter Einbeziehung der der Klimaschutzziele. Dementsprechend sind auch die Parameter für die Nutzen-Kosten-Analysen anzupassen.

4. Die durch das Corona-Straßenbaumoratorium in 2020 freiwerdenden Haushaltsmittel werden in Abstimmung mit der Landesregierung vollständig in nachhaltige und bezahlbare Mobilität für die Menschen in Niedersachsen investiert. 

Sven-Christian Kindler

Detlev-Schulz Hendel